VWK Vision Werk Klybeck

Wo, Wann: Basel, 2015
Auftraggeber: Verein Vision Werk Klybeck
Auftrag: Studie

Kern des räumlichen Entwurfs ist die integrative Haltung gegenüber den bestehenden architektonischen Strukturen und Bauten. Es werden städtebauliche Ordnungen gesucht, welche aus dieser heterogenen Situation heraus erarbeitet werden und günstigen und verschiedenartigen Wohn–, Kultur-, und Gewerberaum zum Ziel haben.

Die Vielfalt und Grössen der bestehenden Industriebauten ermöglichen eine Umnutzung und setzen die Basis für ein multifunktionales Areal. Ebenso ermöglichen die vorhandenen Bauten einen “direkten und schnellen” Projektstart  und können schnell genutzt werden.
Die Neubauten setzen gezielt auf eine Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus.

Räumliche Verortung: Das Areal befindet sich im Norden Basels, im Klybeck Quartier.

Die Nachbarschaft des Areals kann durch die nachfolgenden vier Gebiete charakterisiert werden: Das Industriegebiet, geprägt beispielsweise durch Novartis und BASF, das Wohnquartier Klybeck, das Entwicklungsgebiet Hafen, das Naherholungsgebiet Rhein.

Durch die Entwicklung unserer Vision, könnte das Areal eine Schnittstelle bilden für die genannten, bereits bestehenden Nachbarschaften.

In der nächsten Umgebung des Areals befinden sich Industrie- und Wohnbauten. Es wird im Westen durch den Altrheinweg und im Norden und Osten durch die Klybeckstrasse begrenzt. Im Süden ist die Grenze durch eine parallel zur Achse der Mauerstrasse verlaufende Arealstrasse gesetzt.

Bestehende Situation:
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Neue Situation:

Für unsere städtebauliche Betrachtung des Areals haben wir die folgenden zwei Varianten untersucht:
1. Die Reinterpretation und Wiederaufnahme der im Quartier bestehenden Blockrand-Architektur sowie die Wiederherstellung der Kleinhünigerstrasse.
2. Die Weiterführung des von der Industrie vorgegebenen Erschliessungsmusters.

Variante 2 scheint uns die sinnvollere Lösung. Diese lässt einerseits eine stärkere Verdichtung  des Raumes zu, andererseits müssen keine Gebäude abgerissen werden. Der Bestand kann so direkt übernommen und integriert werden. Die Nutzung kann teilweise ohne grosse Umbaupause starten.

Im Detail kann unser städtebauliches Entwicklungsszenario durch nachfolgend genannte Leitideen genauer charakterisiert werden:

Etappierbarkeit: Die bestehenden Bauten können in Etappen verdichtet werden. Nach und nach kann neu gebaut und die bestehenden Erschliessungssysteme ausgebaut werden.

Übergang von Wohnen via Werken zu Gewerbe: Anschliessend an die bereits bestehenden Wohnungen der WG Klybeck soll auf dem Areal zusätzlicher Wohnraum entstehen. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich das Gewerbe. Dazwischen dient die Zone Soziokultur und die Werkstätten der WerkZone als das Zentrum des Areals.

Verdichtung: Aufgrund der seit Jahren bekannten Zersiedelungsproblematik, streben wir eine verdichtete Bauweise innerhalb der städtischen Bebauung an.

Proximity / 5min Konzept: Zentrale Dienstleitungen sollten innerhalb von 5 Gehminuten erreichbar sein.
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Das Zentrum … … der Community, der grosse Platz um den Zentralbau, soll ein Treffpunkt für die Community werden.UrbanitätUrbanität entsteht auf der Strasse. Die strassenseitigen Erdgeschosse werden mit öffentlich zugänglichen Nutzungen belegt.
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Begrünung: Es soll, wo immer möglich, grüner Aussenraum entstehen. Gesunde und bestehende Bäume sollen erhalten werden, Flachdächer möglichst begehbar sein. Es können Terrassen und Balkone gebaut werden. So entsteht vielfältiger Erholungsraum im Grünen.
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www.visionwerkklybeck.ch

Wir möchten mit unserem Projekt „Dreieck Klybeck“ die Vielfalt an urbanen Lebensentwürfen und Arbeitsweisen fördern, die sich an gemeinschaftlichen, nachhaltigen und inklusiven Grundsätzen orientieren.

Wir streben eine multifunktionale, von Gemeinschaftlichkeit geprägte Nachbarschaft an: Auf dem Areal soll ein Mit- und Nebeneinander aus Wohnen, Arbeiten, Offenen Werkstätten, Gewerbe, Sozio- und Off-Kultur, Kreativwirtschaft, Gastronomiebetrieben und Vermittlungsprojekten entstehen. Der Tausch von Wissen, Material und anderen Ressourcen soll ein zentraler Aspekt des alltäglichen Lebens sein.

Das Projekt ist in drei Bereiche aufgeteilt, Zonen genannt. Zone bezeichnet in diesem Falle die inhaltliche Ausprägung, nicht die Verortung. Die Zonen sollen räumlich ineinandergreifen. Die drei Zonen sind Wohnzone, Werk- und Soziokultur Zone und Gewerbezone.

WohnZone: Es sollen vier bis fünf genossenschaftliche Bauprojekte für ungefähr je 100 Personen realisiert werden. Ein Architekturteam entwickelt ein übergreifendes Gesamtkonzept, das in einem nächsten Schritt von einzelnen Genossenschaften eigenverantwortlich und individuell umgesetzt wird.

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Es sollen verschiedene und flexible Wohntypen und Wohnungsgrössen angeboten werden. Dies lässt eine breite Durchmischung von Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen und mit unterschiedlichen Bedürfnissen zu. Singlewohnungen befinden sich neben Familienwohnungen, Alterswohnungen neben Wohnateliers, Wohnungen für Menschen mit Betreuungsbedarf neben Wohngemeinschaften. Gemeinschaftliche Räume mit flexiblen Nutzungen sind ebenso Teil des Angebots.

Es soll bezahlbarer Wohn- und Lebensraum zur Verfügung gestellt werden. Interne Fonds schaffen Zugang für Personen mit wenig Einkommen.
Durch geteilte Infrastruktur und Räume können Aufwand und Kosten reduziert werden. Gemeinsam genutzte Besucherwohnungen ersetzen beispielsweise das private Gästezimmer. Ein gemeinschaftlich betriebenes Lebensmitteldepot tritt an die Stelle der individuellen Vorratskammer.

Werkzone und Soziokulturzone: Die Werkzone steht für offenes und gemeinschaftliches Arbeiten und für das Teilen von Arbeitsraum und Infrastruktur.
Allrounder, Laien und SpezialistInnen treffen hier aufeinander und können transdisziplinär kooperieren. Es werden Werkzeuge, Materialien, Maschinen und Know-how getauscht oder kostengünstig zur Verfügung gestellt.
Das Angebot soll so breit wie möglich sein. Neben klassischen Werkstätten für Holz und Metall sollen auch Studios für künstlerische Aktivitäten (Musik/Film) bis hin zu Schreib- und digitalen Werkstätten Platz finden.
In einer digitalen Mediathek (Wissensdatenbank) stehen selbsterarbeitete oder aus anderen Quellen stammende Anleitungen und Tutorials zur Verfügung.

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Das Angebot soll nicht nur den anderen Zonen, sondern auch der Nachbarschaft kostengünstig zur Verfügung stehen.

Neben den offenen Werkstätten ist der Community-Bereich ein wichtiger Bestandteil der Werkzone. Hier können sich temporäre Projekte ansiedeln. Solche Gästeplätze fördern den Austausch und die Weiterentwicklung.
Ein zentraler Raum kann für gemeinsame Aktivitäten, Vorträge, Ausstellungen, Branchentreffen oder Podiumsdiskussionen genutzt werden. Durch regelmäßige Veranstaltungen wird die Werkzone auch zum Ort der Auseinandersetzung mit regionaler und überregionaler Ausstrahlung.
Mögliche Beispiele für offene Werkstätten sind OpenSource, FabLabs, Makerspaces, Urban Gardening, Food Sharing, Recyclingwerkstätten, Nähsalons, D.I.Y-Projekte, Co-workingspaces und Reparaturcafés.

Die Zone Soziokultur steht für Begegnung, Austausch, Beratung, Unterstützung, gemeinschaftliche Aktivitäten, Bildung, Kultur und Kunst. Vielfalt und Durchmischung sind auch hier zentrale Elemente.
Diese Zone spricht Kulturschaffende, KünstlerInnen, soziokulturelle und soziale Projekte an, die sich mit der Gesamtvision des Projekts ‚Dreieck Klybeck’ identifizieren können und diese aktiv mitgestalten möchten. Kultur wird als Ausdruck der alltäglichen Lebenswelt und gemeinschaftlicher Interaktion verstanden.

Tanz- und Bewegungskurse, Theateraktivitäten, Konzerte, Ausstellungen, (Kultur-) Gastronomie, Workshops, Konferenzen, Kongresse und vieles mehr sollen hier stattfinden. Daneben hat es Raum für Ateliers- und Arbeitsplätze. Ebenfalls können in diesen Bereich soziale Institutionen wie beispielsweise Jugendhäuser, Beratungsstellen oder Treffpunkte Raum finden.

Diese Zone bildet durch ihren öffentlichkeitswirksamen Charakter eine wichtige Schnittstelle zum umliegenden Quartier. Selbstverständlich richten sich soziale und kulturelle Angebote auch an die nähere und weitere Nachbarschaft.

Gewerbezone: Die Gewerbezone bietet Platz für Unternehmen aller Art. Im Zentrum stehen Läden, klassische (Handwerks-)betriebe, kreativwirtschaftliche Projekte und Start-Ups, die Angebote für die Anwohner und NutzerInnen des Dreiecks Klybeck, aber auch für die weitere Nachbarschaft generieren. Ziel ist eine vielfältige Mischung von Gewerbe und Dienstleistungen, die zu einem Alltag der kurzen Wege führt. Möglichst alle Artikel des täglichen Lebens sind in Gehdistanz erhältlich.

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Angesprochen sind Betriebe, die ihr Angebot in einem lebhaften und innovativen Quartier platzieren und gleichzeitig die Vision einer multifunktionalen und nachhaltigen Nachbarschaft mitgestalten möchten.
Es wird begrüsst, wenn sich professionelle Anbieter der Gewerbezone auch in der WerkZone engagieren.

Grundsätzlich wird diese Zone unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrieben. Um eine hohe Diversität zu ermöglichen sind Subventionen denkbar.

Fact & Figures
Nördlicher Abschnitt Parzelle 3090: 17’500m2
Wohnzone: 7’500m2 / ca. 400 Einwohnerinnen
Werk- Soziokultur Zone: Geschossfläche: 10’300m2 / Hauptnutzfläche: 6’900m2
Gewerbezone: Geschossfläche: 6’600m2 / Hauptnutzfläche: 4’300m2

Erhalt Bausubstanz/Neubau: Die Werk- Soziokultur Zone und Gewerbezone sollen in die fünf bereits bestehenden Büro- und Laborgebäude einziehen. Diese sollen mit möglichst wenig Aufwand umgenutzt werden. Der Erhalt alter Bausubstanz ist wesentlicher Bestandteil des Projekts.

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Historische Entwicklung des Quartiers

1900
. Die Kleinhüningerstrasse verbindet Basel mit dem Fischerdorf Kleinhüningen. Das Klybeckschloss, eigentlich eine Mühle aus dem 13. Jahrhundert, ist die erste Bebauung des Quartiers (abgebrochen 1955) in der heutigen Schlossgasse. Die Klybeckstrasse führt am „Schlösschen“ vorbei auf die ehemalige Klybeckinsel, die mit einer kleinen Holzbrücke verbunden war. Das Gesamtareal ist vorwiegend landwirtschaftlich genutzt. Erste Bauten der chemischen Industrie siedeln sich am Rheinufer an.

Klybeck 1884
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Die chemische Industrie expandiert und verdichtet sich in starkem Masse. Das Wohngebiet des Klybeck beginnt sich ausgehend von der Kleinhüningerstrasse zu entwickeln und besteht zum grössten Teil aus dem Typus der „Mietskaserne“. Die Insel wird aufgeschüttet und bildet den Grundstein für den Bau der Hafenbahn. Die beiden Tramdepots und der Friedhof entstehen.

Klybeck 1934
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Das Industriegebiet ist nun flächendeckend bebaut. Mit den Brückenschlägen über die Wiese, löst die Gärtnerstrasse die Kleinhüningerstrasse als Hauptinfrastrukturachse ab. Die Bebauung des Wohnquartiers verdichtet sich und ist bis Ende der 1940er Jahre zum grössten Teil abgeschlossen. Der Friedhof wird 1932 geschlossen und dient nun als städtischer Erholungsort.

CIBA 1965
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In den 1950er Jahren verleibt sich die CIBA den Anschluss der Kleinhüningerstrasse ein, wodurch die ehemalige Hauptstrasse heute in einer Sackgasse endet. Die Struktur des Industriegebiets wandelt sich von einem Teppich hin zu einer Abfolge von Solitärbauten. Die Promenade am Rheinufer wird 2013 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und erste Zwischennutzungen beleben das Areal. Die Infrastrukturgebäude werden nach und nach abgebrochen.

Klybeck 2014
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